Kritik am „Frankfurter Manifest“

Im Ergebnis der Arbeitstagung „Digitalisierung? Grundeinkommen!“ Ende Mai 2018 wurde ein Positionspapier unter dem Namen „Frankfurter Manifest“ verfasst. Die Überschrift lautet: „Digitalisierung? Grundeinkommen! Möglichkeiten einer emanzipatorischen Gestaltung“. Das alles klingt vielversprechend, aber …

Der Text ist ideologielastig und somit nicht angetan, breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden. Soll das BGE, wie in dem Manifest gefordert, „auf einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung basieren“, muss der Text (und die öffentliche Debatte) zunächst von kommunistischen und feministischen Ideologiefetzen befreit werden. Beispiele:

„Die bedingungslose Absicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe ist ein Menschenrecht“

Wo ist dieses Recht formuliert? Dass wir es uns wünschen, macht es noch lange nicht normativ. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sagt: „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen“ (Art. 25) Gleichzeitig fordert sie aber auch die Gegenleistung: „Jeder hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein die freie und volle Entfaltung seiner Persönlichkeit möglich ist.“ (Art. 29) Wenn wir also die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens möchten, dann können wir uns nicht auf ein universelles Recht berufen, sondern müssen um Verständnis und Akzeptanz bei den Menschen werben.

„Kapitalistische Erwerbsarbeit ist nichts Erstrebenswertes, jeder Teil davon, den uns die Maschinen abnehmen, ist ein weiterer Schritt ins Reich der Freiheit.“

Mit der Begeisterung für Marxsche Gedanken (die ich übrigens teile) sollte man sich in der Debatte zurückhalten, vor allem dann, wenn es an Konkretheit fehlt und wenn damit unzulässige Verallgemeinerungen vorgenommen werden. Für sehr viele Menschen ist Erwerbsarbeit durchaus etwas Erstrebenswertes und wird es auch bleiben.

„Mit der Pflege und Sorgearbeit bleiben die Frauen dabei nach wie vor alleine.“

Falsch! Die Menschen bleiben damit alleine. Zumindest kann ich aus meinem sozialen Umfeld berichten, dass Frauen und Männer damit belastet sind.

„Produktion und Distribution können sich aus der ungeheuren Beschränkung lösen, die herrschende Kapital- und Lohnarbeitsverhältnisse den Menschen, ihrer Fähigkeitsentwicklung und ihrer Freiheit auferlegen.“

Genau dieser Duktus ist es, der in der öffentlichen Debatte keinerlei Punkte bringt.

Aber auch inhaltlich ist das Papier unausgegoren und keinesfalls so strukturiert, dass es als Manifest dienen könnte. Interessante Gedanken, wie die Verknüpfung eines als Geldbetrag gezahlten Grundeinkommens mit Elementen einer frei verfügbaren sozialen Infrastruktur, werden in den Raum gestellt, ohne die Wechselwirkungen zumindest im Grundsatz zu hinterfragen. Hier stellt sich nämlich erst recht die Frage nach der Finanzierung.

Letztendlich sehe ich es als Anmaßung, einen 3-Seiten-Text als Manifest zu bezeichnen. Ich möchte mich der Einschätzung eines Kommentators anschließen:

Wer liest das? Der Grundeinkommensbefürworter? Der braucht das nicht, das weiß er schon.
Der Gegner? Vergiss es  – zu lang und zu schwurbelig.
Wer bleibt? Der unentschlossene! Dem fehlt aber eine Definition was das BGE für die Autoren genau ist (also Empfängerkreis, Höhe, Auszahlungsmodus, Sozialstaatverträglichkeit, Finanzierungsquelle, sonstige Annahmen) um Eure Gedanken mitdenken zu können.
Es ist also ein für die drei Zielgruppen unvollständig erarbeitetes Papier.“

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