Die SPD und das Recht auf Arbeit

Artikel 23 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ sagt: Jeder hat das Recht auf Arbeit

Siebzig Jahre nach Verabschiedung dieser Erklärung ist das Recht auf Arbeit in keinem einzigen Land ins positive Recht übernommen worden, also nirgends ist es durch die Menschen einklagbar. Nun hat die SPD ein Reformkonzept vorgelegt: „Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit. Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit – Teil I: Arbeit“ – Es beginnt mit den üblichen Mantren, derer sich insbesondere Arbeitsminister Hubertus Heil bei jeder Gelegenheit gern bedient:

Deutschland ist und bleibt eine Arbeitsgesellschaft. Durch den technologischen Wandel wird uns die Arbeit nicht ausgehen, sie wird sich nur stark und immer schneller verändern.

Aber dann die Überraschung, gleich auf der ersten Seite:

Unsere Antwort darauf ist das „Recht auf Arbeit“. […] Aus dem „Recht auf Arbeit“ hingegen leitet sich für den Einzelnen eine Vielzahl von konkreten Ansprüchen ab, die zu seiner jeweiligen Lebenssituation passen. Das „Recht auf Arbeit“ konsequent durchzubuchstabieren heißt für uns auch, einige Gewissheiten der vergangenen 20 Jahre auf den Prüfstand zu stellen und den Sozialstaat neu zu denken.

Boah, denke ich, jetzt wird Tacheles geredet – das Recht auf Arbeit muss ins Grundgesetz. Wie sonst sollte es sich durchsetzen lassen? Doch weit gefehlt. Das Recht auf Arbeit wird zur Handelsware:

Wir wollen die bestehende Grundsicherung grundlegend verändern und schaffen deswegen mit dem Bürgergeld einen Leistungsanspruch für Absicherung und Teilhabe (Recht auf Arbeit). Das „Recht auf Arbeit“ heißt für uns, dass die Bürgerinnen und Bürger ein passgenaues Angebot auf Weiterbildung/Qualifizierung oder auch ein Angebot auf Arbeit erhalten. Dafür werden wir perspektivisch den sozialen Arbeitsmarkt ausweiten.

Wer also keine (bezahlte) Arbeit bekommt, wird mit dem Bürgergeld abgespeist. Auf 4 Seiten wird viel TamTam um dieses Bürgergeld gemacht, um den Unterschied zu Hartz IV zu begründen. Aber das einzig wirklich Konkrete ist, dass man „für zwei Jahre Vermögen und die Wohnungsgröße nicht überprüfen“ will.

Prinzipiell ist der Denkansatz richtig. Das Recht auf Arbeit könnte in der Tat ein Schritt zu einem garantierten Einkommen sein, wie das von uns entwickelte Modell GAGE zeigt. Doch was die SPD da auftischt, ist eine Mogelpackung.

Unsere Antwort darauf ist das „Recht auf Arbeit“. Das bedeutet, dass sich die Solidargemeinschaft dazu verpflichtet, sich um jeden Einzelnen zu kümmern und jedem Arbeit und Teilhabe zu ermöglichen – statt sich durch ein bedingungsloses Grundeinkommen von dieser Verantwortung freizukaufen.

Ist es Unverschämtheit oder Ignoranz? Das von der SPD favorisierte Bürgergeld soll ja explizit von dieser Verantwortung freikaufen (siehe oben). Wer keine Arbeit findet, bekommt das Bürgergeld. Was ist daran neu gegenüber Hartz IV, außer ein paar Abschwächungen in der Sanktionierung der Leistungsempfänger? Die SPD verweigert sich hartnäckig den Anforderungen der Zukunft. Alle akuten Fragen, die Veränderungen der Arbeitswelt betreffend, werden geflissentlich übersehen. Wenn unter „Arbeit“ ausschließlich „Erwerbsarbeit“ verstanden wird, kann man diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Erkennt man jedoch andere Arbeitsformen (Gemeinnützige Arbeit, Eigenarbeit, Pflege- und Betreuungsleistungen) als gleichberechtigt an, dann wird aus dem Bürgergeld automatisch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Aber ein solches Denken überfordert wohl die visionären Möglichkeiten der SPD-Funktionäre.


Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

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